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Factsheet
Der Faktencheck zur Diskussion rund um die Ausbildung von Pharmazeutisch-Technischen Assistenten in Nordrhein-Westfalen


Behauptung: Vergleichbare Ausbildungsberufe wie Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten werden vom Land NRW ebenfalls nicht gefördert.
Fakt ist: Diese Berufe sind nicht vergleichbar. Sie sind auf Selbstständigkeit ausgerichtet. Die als Beispiel herangezogenen Berufe können Praxen eröffnen und dürfen dann sogar Leistungen mit Krankenkassen abrechnen. PTA dagegen ist ein Assistenzberuf, der klassischerweise in einem Anstellungsverhältnis ausgeübt wird. Ferner gibt es in NRW Schulen für die oben genannten Berufe, an denen die Ausbildung kostenlos für die Schülerinnen und Schüler ermöglicht wird, zum Beispiel in der Trägerschaft von vom Land getragenen Krankenhäusern. Die Berufe können also gar nicht miteinander verglichen werden.

Behauptung: Eine Verlagerung der PTA-Ausbildung an die Berufskollegs ist nicht möglich.
Fakt ist: Viele technische Assistenzberufe, darunter zum Beispiel Chemisch-Technische Assistenten, Physikalisch-Technische Assistenten, Umwelt-Technische Assistenten oder aber Biologisch-Technische Assistenten werden an Berufskollegs ausgebildet. Und für diese Berufe gilt: Die Ausbildung ist kostenlos. Richtig ist aber, dass PTA nicht an allen Berufskollegs ausgebildet werden könnten sondern nur dort, wo beispielsweise Chemieräume vorhanden sind.

Behauptung: Es handelt sich bei der Streichung der Ausbildungsförderung für PTA-Schüler „nur“ um einen Wegfall von 73 Euro pro Monat.
Fakt ist: Schulgeld ist generell unsozial. Es benachteiligt und schließt viele junge Menschen von der Möglichkeit, den Beruf PTA zu erlernen, aus. Um Chancengleichheit zu ermöglichen wurden auch die Studiengebühren in NRW abgeschafft. Es ist ungerecht, dass ausgerechnet bei Berufen, die später deutlich geringere Einkommen als Akademiker erzielen, die Ausbildung indes weiterhin kostenpflichtig ist. Die 73 Euro pro Person und Monat, die das Land nun nicht mehr bezahlen wird, verschärfen nur ein eh schon vorhandenes Problem. Schon heute kostet die schulische Ausbildung im Durchschnitt rund 200 Euro pro Monat, an einigen Lehranstalten in NRW sogar bis zu 305 Euro. Aber egal ob 170, 220 oder 305 Euro – Schulgeld konnten sich viele jungen Menschen, vor allem aus sozial schwächeren Verhältnissen, auch in der Vergangenheit nicht leisten. Für sie macht es keinen Unterschied, ob das Schulgeld nun noch um 73 Euro steigt oder nicht.

Behauptung: Die Apothekerschaft könne spielend den Ausfall der Landesförderung für PTA-Schüler kompensieren. Eine Änderung des Heilberufsgesetzes in den kommenden Wochen würde dies ermöglichen. Jede Apotheke müsste doch nur ca. 300,- Euro pro Jahr bezahlen, um den wegfallenden Zuschuss zu kompensieren.
Fakt ist: Etwa 35 bis 40 Prozent der ausgebildeten PTA arbeiten nicht dauerhaft in den hier gemeinten öffentlichen Apotheken. Stattdessen arbeiten sie in Laboren, Krankenhäusern, Verwaltungen, in der pharmazeutischen, chemischen oder kosmetischen Industrie, im Großhandel oder aber auch bei Krankenkassen. Es ist nicht schlüssig, warum sich nur eine einzige Branche, die Apothekerschaft, nach dem Willen einiger Politiker an der Ausbildungsfinanzierung beteiligen soll.

Die von der Landesregierung geplante Änderung des Heilberufsgesetzes sieht im Übrigen gar nicht vor, dass öffentliche Apotheken zur Ausbildungsfinanzierung herangezogen werden könnten sondern die sog. Apothekerkammern. Hier sind aber nicht die Apotheken Mitglied sondern einzelne Personen, die den Beruf des Apothekers / der Apothekerin erlangt haben. Egal ob in einer Apotheke beschäftigt, im Ruhestand, als Angestellte in Forschungsabteilungen von Pharmaunternehmen oder als Apotheker bei der Bundeswehr – sie alle würden nach dem Wunsch der Landesregierung so für die Ausbildung durch ihre Kammerbeiträge (die im Übrigen verpflichtend sind) mitbezahlen.

Behauptung: Für den Ausbildungsberuf PTA könnte man doch das duale System einführen, wie es auch bei fast allen anderen Ausbildungsberufen üblich ist.
Fakt ist: Der PTA-Beruf ist nach einem Bundesgesetz geregelt und erfordert nach der schulischen Ausbildung auch eine staatliche Zulassung. Eine Umwandlung in das duale Ausbildungssystem ist daher nicht machbar. Außerdem können die staatlich vorgeschriebenen Lerninhalte der Ausbildung nicht in einer Apotheke vermittelt werden, sondern nur in einer staatlichen anerkannten Schule.

Behauptung: Andere Betriebe bezahlen für die Ausbildung doch auch, wo ist das Problem?
Fakt ist: Generell bezahlen nur die Betriebe eine Ausbildungsvergütung an die Auszubildenden, wenn diese im Rahmen einer dualen Ausbildung einen Teil der Ausbildungszeit im Betrieb verbringen und einen Teil in der Berufsschule. Die Ausbildungsvergütung ist nicht zuletzt eine Kompensation für die Arbeitsleistung, die Auszubildende schon während der Ausbildung für die Betriebe erbringen. PTA erlernen ihren Beruf aber nicht in einer dualen Ausbildung sondern in einer rein schulischen Unterrichtsform.

Es geht in der Diskussion um die PTA-Ausbildung aber um die Kosten für die Schulen, nicht um die Entlohnung der Auszubildenden. Es ist schlichtweg falsch, zu behaupten, dass ausbildende Firmen und Betriebe die Berufsschulen ihrer Auszubildenden finanzieren. Das ist Aufgabe von Land und Kommunen, die dafür Steuermittel einsetzen.

An Berufskollegs wird eine Vielzahl technischer Assistenzberufe ausgebildet. Aber egal ob Informationstechnische Assistenten, Physikalisch-Technische Assistenten, Umwelt-Technische Assistenten, Chemisch-Technische Assistenten – die Betriebe und Konzerne, bei denen sie nach der Schulausbildung eine Beschäftigung finden, zahlen nicht für den Betrieb der Berufskollegs.

Behauptung: Die Apothekerschaft ist an der schwierigen Situation mitschuldig und wusste vom Wegfall des Zuschusses vom Land.
Fakt ist: Die Apothekerschaft hat die Schwachpunkte des Ausbildungssystems für PTA bereits vor langer Zeit erkannt. Seit über 15 Jahren setzen sie sich schon für eine Verlagerung an die Berufskollegs ein. Vor rund zwei Jahren hat das Gesundheitsministerium NRW angekündigt, die Mittel zu streichen. Daher haben sich Vertreter der Apothekerschaft mit Mitarbeitern von Schul- und Gesundheitsministerium in den letzten beiden Jahren noch intensiver mit der Verlagerung der Ausbildung an die Berufskollegs beschäftigt. Hier gab es über den ganzen Zeitraum Rückenwind und Bestärkung. Die nun im Januar 2013 plötzlich erteilte Absage durch das Schulministerium, das für die Berufskollegs in NRW zuständig ist, kam völlig überraschend.

Behauptung: Eine Verlagerung der Ausbildung an die Berufskollegs ist schlichtweg zu teuer. In Zeiten der Haushaltskonsolidierung kann man sich das nicht leisten.
Fakt ist: Die Landesregierung rechnet immer wieder vor, dass die Ausbildung der PTA den Etat des Schulministeriums mit rund 6,8 Millionen Euro zusätzlich belasten würde. Dass der Landeshaushalt konsolidiert werden muss, steht nicht zur Debatte, aber die Frage, wie das geschieht, muss erlaubt sein. Bildung ist in Deutschland Ländersache – auch in schwierigen Zeiten.

Bei der Berechnung der vermeintlich zusätzlichen Kosten wird generell ein wesentlicher Aspekt völlig vergessen: Die jungen Menschen, die an einer Schule den Beruf PTA erlernen würden, entscheiden sich aufgrund ihrer Lebenssituation, ihrer Struktur und ihre persönlichen Zielsetzung alternativ fast immer für eine andere TA-Ausbildung. Und diese finden an den vom Land getragenen Berufskollegs statt, deren Besuch für die Schülerinnen und Schüler kostenlos ist.

Aufgrund der aktuellen Entwicklung steht jetzt zu befürchten, dass es in wenigen Jahren keine oder kaum noch PTA-Lehranstalten mehr geben wird, weil die Schülerinnen und Schüler aufgrund der Schulgeldproblematik sich immer häufiger für andere Berufsausbildungen an Berufskollegs entscheiden. Ob die jungen Menschen nun statt PTA vielleicht CTA oder BTA lernen wollen – das Land würde also so oder so für die Kosten der schulischen Ausbildung aufkommen.

Behauptung: Die Streichung der Ausbildungsförderung ist politisch und gesellschaftlich vertretbar.
Fakt ist: Nahezu alle PTA haben bereits einen Arbeitsvertrag, noch bevor die Ausbildung beendet ist – sie sind gefragt und es gibt eine „quasi Jobgarantie“. Sie werden nach der Ausbildung sofort zu Leistungsträgern und Steuerzahlern, während die Gefahr der Arbeitslosigkeit extrem niedrig ist. Die PTA-Auszubildenden sind zu über 90 Prozent weiblich, beginnen die Ausbildung mit einem Realschulabschluss im Alter von 16 oder 17 Jahren und in vielen Klassen gibt es einen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund von über 80 Prozent. Andernorts setzt sich die Schulministerin für die Förderung genau dieser Personengruppen ein.

Aussage Politik: Die Apothekerschaft will sich vor der Verantwortung für die Berufsausbildung der PTA drücken.
Fakt ist: Auch in Zukunft ist die Apothekerschaft bereit zu helfen und die PTA-Ausbildung dauerhaft zu sichern. Gerne wird in der aktuellen Diskussion vergessen, dass die Apothekerschaft sich in den vergangenen Jahren jährlich mit weit mehr als einer halben Million Euro direkt an den Kosten für die Lehranstalten beteiligt hat. Darüber hinaus haben Apotheker und Apothekerinnen über zum Beispiel Fördervereine mehrere weitere 100.000 Euro pro Jahr aufgebracht. Das Angebot, auch bei einer Verlagerung an die Berufskollegs, in diesem Rahmen weiterhin einen Teil der Kosten zu übernehmen, ist immer wieder unterbreitet worden.
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