Frau Hannelore Kraft
Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen
Stadttor 1
40219 Düsseldorf

12. Februar 2013









Zukunft der PTA-Ausbildung in Nordrhein-Westfalen


Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,

mit Schreiben vom 2. Januar 2013 hat das Landesministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) die Lehranstalten für Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten (kurz PTA) darüber informiert, dass die bisher gewährte finanzielle Förderung des Landes zur schulischen Ausbildung eingestellt wird. Eine Alternative zu dieser Förderung wurde jedoch nicht eröffnet.

Gerade die jungen Menschen, die Schülerinnen und Schüler, sind verunsichert. Denn die Konsequenz, die die Streichung des Zuschusses nach sich zieht, ist, dass das bereits schon hohe Schulgeld für die Auszubildenden, die mit ihrer Ausbildung 2013 beginnen wollten, auf bis zu 378 Euro erhöht werden muss. Pro Monat! Da ist es nicht verwunderlich, dass sich immer weniger junge Menschen für diese attraktive Berufsausbildung entscheiden.

Auch die Verunsicherung bei den Leiterinnen und Leitern, Lehrerinnen und Lehrern ist groß. Tragen sie seit vielen Jahren Tag für Tag Sorge für die wohnortnahe Ausbildung, sehen sie nun ihre Lehranstalten vor dem Kollaps. PTA-Lehranstalten in Minden und in Hagen haben bereits erklären müssen, die Ausbildung einzustellen. Mit der Schließung weiterer Schulen in naher Zukunft ist, beobachtet man die jetzt deutlich rückläufigen Bewerberzahlen, in naher Zukunft zu rechnen.

Die Problematik, dass die PTA-Ausbildung die Schülerinnen und Schüler Geld kostet, ist ein sich seit langem verschärfendes und bekanntes Problem, weshalb wir seit vielen Jahren empfehlen, die Ausbildung an bereits bestehende Berufskollegs zu verlagern. Auf der Fachebene des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, mit der wir intensive und konstruktive Gespräche geführt haben, wurden die Vorteile einer solchen Lösung erkannt und sogar ausdrücklich befürwortet.

Dennoch: Dem mehrfach geäußerten Wunsch nach einem persönlichen Gespräch mit Frau Schulministerin Löhrmann wurde nicht entsprochen, obwohl es doch das Credo Ihrer Regierung ist, Politik unter Einbeziehung der Betroffenen zu machen. Man hat lediglich ausrichten lassen, dass ein Gespräch überflüssig sei, da es sicherlich kein Ergebnis bringen würde und die Schaffung einer zukunftsorientierten Berufsausbildung für PTA an Berufskollegs politisch nicht gewollt sei.

Wir vertreten die Auffassung, dass eine Konsolidierung des Landeshaushaltes nicht auf dem Rücken der mehrheitlich jungen Mädchen ausgetragen werden darf, die nun die Chance auf einen zukunftssicheren, wohnortnahen und ansprechenden Ausbildungsberuf verlieren. Wir müssen feststellen: In 14 anderen Bundesländern gibt es stabile Rahmenbedingen für die PTA-Ausbildung, vor allem ist sie dort gebührenfrei. Absolutes Schlusslicht bei der Förderung der PTA-Ausbildung in Deutschland ist das Land NRW.

Während es in NRW inzwischen keine Studiengebühren mehr gibt, wird nun zeitgleich der PTA-Ausbildung der Boden mit dem Argument, man müsse sparen, entzogen. Dabei sind die Lehrkräfte, die Räume, die Verwaltungsstrukturen usw. der Berufskollegs bereits vorhanden. Lediglich für den fachlichen Anteil an der Ausbildung bedarf es zusätzlicher Ressourcen. Hier waren und sind wir immer schon bereit gewesen, einen Beitrag zu leisten!

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie an Ihre bildungspolitischen Aussagen der vergangenen Jahre und insbesondere auch an Ihre Wahlkampfversprechen erinnern. Bereits im Jahr 2007 haben Sie beim Bildungsparteitag der nordrhein-westfälischen SPD mit den Worten „Bildung muss beitrags- und gebührenfrei sein“ den Leitsatz Ihrer Bildungspolitik aufgestellt und sich für NRW als Bildungsstandort stark gemacht. Auch zum Thema Fachkräftemangel haben Sie auf einer Pressekonferenz am 16. Januar 2013 den hohen Stellenwert von Bildung betont und erläutert, dass die im vergangenen Jahr begonnene Fachkräfteinitiative der Regierung ausgeweitet werden soll, indem die Regierungskoalition 20 Millionen Euro dafür ausgeben werde, in regionalen Projekten jungen Menschen zum Berufseinstieg zu verhelfen. Die PTA-Lehranstalten entsprechen doch genau diesem Profil: Sie befinden sich in Baesweiler und in Olsberg, in Duisburg und Solingen, in Marsberg und in Castrop-Rauxel, in Paderborn und in Siegen, um einige beispielhaft zu nennen. Die jungen Menschen haben fast alle einen Arbeitsvertrag in der Tasche, noch bevor sie die Ausbildung beenden und nicht selten bleiben die PTA in den Regionen, in denen sie aufgewachsen sind und ihre Ausbildung absolviert haben. Fast alle Auszubildenden sind weiblich, viele haben eine Migrationsvorgeschichte – es gibt also ausreichend Argumente, der vernünftigen Idee der Verlagerung an die Berufskollegs zu folgen!

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin: Wir begrüßen Ihre Positionen in der Bildungspolitik ausdrücklich. Wenn aber kein Kind und kein junger Mensch zurückgelassen werden soll, dann muss dies auch für die rund 2.000 PTA-Schülerinnen in NRW gelten, wenn für hunderttausende Studierende die Studiengebühren abgeschafft werden. Der derzeitige Umgang der Landesregierung mit diesem Thema führt nicht nur zu Unmut bei den Lehrerinnen und Lehrern, den Auszubildenden und bei der Apothekerschaft, sondern auch bei den Bürgermeistern und den Landräten, den Ratsmitgliedern der Städte und Gemeinden im Umfeld der PTA-Lehranstalten. Mit völligem Unverständnis reagieren vielerorts unsere Gesprächspartner auf den eingeschlagenen Kurs, der die PTA-Ausbildung in NRW existenziell in Frage stellt.

Die Idee des Gesundheitsministeriums (MGEPA), durch eine Änderung des Heilberufsgesetzes verstärkt die Apothekerkammern zur Finanzierung der Berufsausbildung der PTA heranzuziehen, ist für uns sehr irritierend, denn: Das selbe Ministerium hat noch bis zu eben dieser nun vorangetriebenen Änderung des Heilberufsgesetzes den Kammern immer wieder deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass diese Kammern gerade nicht für die PTA-Ausbildung zuständig seien und eine finanzielle Unterstützung von PTA-Schulen in geringerem Umfang allenfalls stillschweigend toleriert werde. Vorschläge, die Ausbildung mittels einer Art „Zwangsabgabe“ für alle Apotheken zu sichern, sind ebenfalls befremdlich. PTA finden Sie schließlich nicht nur in Apotheken, sondern auch in der Industrie, in Krankenhäusern und Laboren, in der öffentlichen Verwaltung, bei Versicherungen und im Großhandel.

Wir, die Apothekerorganisationen in NRW, werden nicht tatenlos zusehen, wie Ihre Regierung den Kollaps eines wichtigen Ausbildungsberufes riskiert – nicht zuletzt angesichts der enorm hohen Nachfrage an entsprechenden Fachkräften. Führen Sie mit uns einen offenen, lösungsorientierten Dialog über eine sozial gerechte Zukunft der PTA-Ausbildung. Zu einer Lösung tragen wir gerne bei – wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und bei einer Verlagerung der Ausbildung an die Berufskollegs mitzuwirken. Nordrhein-Westfalen darf kein weißer Fleck auf der bildungspolitischen Landkarte für das so wichtige Berufsbild der PTA werden. NRW braucht PTA!

Ab dem 15. Februar werden wir an die Öffentlichkeit treten und über die Missstände informieren. Das sind wir nicht nur den aktuell rund 2.000 Auszubildenden schuldig, sondern einem fairen und sozial gerechten Bildungssystem in NRW.



Mit freundlichen Grüßen

Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, Düsseldorf
Dr. Klaus Michels, Vorsitzender des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, Münster
Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Münster
Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, Düsseldorf